Bayern:Masken-Millionärin Tandler kassierte staatliche Corona-Hilfe

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FFP2-Masken sind während der Corona-Pandemie zum begehrten Gut geworden - zum Schutz vor Ansteckung und zum Geldverdienen. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Die Tochter des CSU-Granden Gerold Tandler nahm 9000 Euro aus öffentlichen Mitteln in Anspruch, als sie mit Maskendeals schon reich geworden war. Das Staatsgeld, das sie gar nicht mehr nötig gehabt hatte, zahlte sie erst viel später zurück.

Von Klaus Ott, München

Die Maskenaffären in der CSU und deren Umfeld nehmen kein Ende. Jetzt stellt sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung heraus: Andrea Tandler, Münchner PR-Unternehmerin und Tochter des einstigen CSU-Spitzenpolitikers Gerold Tandler, nahm vor zwei Jahren 9000 Euro Staatshilfe für durch Corona geschädigte Firmen in Anspruch. Und das zu einem Zeitpunkt, als sie mit von ihr vermittelten Maskendeals gerade reich geworden war und die staatliche Hilfe gar nicht mehr nötig hatte. Die inzwischen mehrfache Millionärin zahlte das Geld erst viel später zurück.

Die 9000 Euro waren laut einer Richtlinie des bayerischen Wirtschaftsministeriums vom 3. April 2020 ("Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbständige") die Höchstsumme für in Not geratene Kleinunternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten gewesen. Andrea Tandler hatte die Staatshilfe zu Beginn der Corona-Pandemie für ihre PR-Agentur Pfennigturm bei der Stadt München beantragt. Die kleine Werbeagentur hatte nach eigenen Angaben zwischenzeitlich 169 Firmenmarken in Deutschland, der Schweiz und Österreich betreut. Andrea Tandler machte damals dem Vernehmen nach geltend, sie habe durch die schlechte Wirtschaftslage infolge der Pandemie Kunden und Aufträge verloren.

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Die Stadt München bewilligte daraufhin die 9000 Euro Corona-Hilfe, die in der zweiten Maiwoche 2020 ausbezahlt und auf ein Konto der PR-Unternehmerin überwiesen wurden. Die Hilfsmittel für in Not geratene Firmen stammten teilweise von der Bundesregierung; abgewickelt wurde ein entsprechendes Programm über das bayerische Wirtschaftsministerium und die Kommunen, darunter eben auch die Stadt München.

Den Antrag zurückzuziehen? Darauf kam Andrea Tandler nicht

Just in der Woche vor der 9000-Euro-Überweisung war Andrea Tandler aber zur Millionärin geworden: Von Februar 2020 an hatte sie für das Schweizer Handelsunternehmen Emix Geschäfte mit den Gesundheitsministerien in Bayern und in Nordrhein-Westfalen sowie mit dem Bundesgesundheitsministerium vermittelt. Die Verträge im Umfang von fast einer Milliarde Euro wurden zwischen Anfang März und der zweiten Aprilhälfte 2020 abgeschlossen.

Dafür standen Andrea Tandler und einem Partner von ihr für deren Firma Little Penguin (Zwergpinguin) Provisionen in Höhe von 48 Millionen Euro zu, die Emix bis Ende 2020 in drei Raten überwies. Die erste Ratenzahlung über 14 Millionen Euro erfolgte laut Behördenunterlagen in der ersten Maiwoche 2020. In einem Chat mit Geschäftspartnern jubelte die Tandler-Tochter damals über ihren neuen Status als Millionärin.

Auf die Idee, den zuvor bei der Stadt München eingereichten Antrag auf Corona-Hilfsmittel sofort zurückzuziehen, kam die PR-Unternehmerin damals aber offenbar nicht. Dass das Staatsgeld zum Problem werden könnte, dämmerte Andrea Tandler allem Anschein nach erst später. Ein Sprecher von ihr erklärte jetzt auf Anfrage der SZ: "Frau Tandler hat den gesamten Betrag vor geraumer Zeit zurückerstattet."

Wann die Rückzahlung erfolgte, wollte der Sprecher nicht sagen. Das wirft die Frage auf, ob die PR-Unternehmerin die 9000 Euro erst dann der Stadt München erstattete, als die Maskendeals öffentlich bekannt und zum Politikum wurden. Das war im Januar 2021 der Fall, als der Spiegel über diese Deals und Andrea Tandlers Vermittlerrolle berichtete. Und später auch öffentlich machte, dass die Tandler-Tochter sich beim Einfädeln der Deals der CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier bedient hatte, die Kontakte zu den Gesundheitsministerien in Bayern und im Bund herstellte.

Hohlmeier hat nach eigenen Angaben dafür kein Geld verlangt und auch keines bekommen. Sie ist die Tochter des einstigen CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Die Familien Tandler und Strauß sind seit Jahrzehnten befreundet.

Es gab vom Ministerium Hinweise zur Rückzahlung

Der Sprecher von Andrea Tandler verwies jetzt auf SZ-Anfrage darauf, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung für die staatliche Corona-Hilfe die "rechtlichen Voraussetzungen" dafür vorgelegen hätten. Nachzulesen sind diese Voraussetzungen in einer Richtlinie des bayerischen Wirtschaftsministeriums von Anfang April 2020, kurz nach Beginn der Pandemie. Darin heißt es, die Einmalzahlung von 9000 Euro für Firmen mit maximal fünf Beschäftigten "orientiert sich an einem glaubhaft versicherten Liquiditätsengpass für drei aufeinander folgende Monate". Der Antragsteller müsse versichern, "dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen".

Damit war es bei Andrea Tandler aber spätestes in der ersten Maiwoche 2020 mit der ersten Provisionsrate für die Maskendeals vorbei gewesen. Wenn nicht sogar schon vorher, als die Corona-Verträge zwischen der Schweizer Firma Emix und den deutschen Ministerien abgeschlossen worden waren und der Provisionsanspruch der Tandler-Tochter und ihres Partners Darius N. bereits bestand.

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Bayerns Wirtschaftsministerium gab den Empfängern der Stützungsmittel jedenfalls folgenden "Hinweis zur Rückzahlung Soforthilfe Corona": Sollten sich wesentliche Veränderungen ergeben haben, dann müsse der zu viel erhaltene Betrag zurückerstattet werden. "Zu diesem Zweck wird empfohlen, Kontakt mit der zuständigen Bewilligungsstelle aufzunehmen."

Bewilligungsstelle war bei der PR-Agentur Pfennigturm offenbar das vom CSU-Kommunalpolitiker Clemens Baumgärtner geleitete Wirtschaftsreferat der Stadt München gewesen. Von den Maskenprovisionen in Millionenhöhe für die andere Tandler-Firma Little Penguin konnten das Wirtschaftsreferat und Baumgärtner damals aber nichts wissen, weil die Tandler-Tochter das geheim hielt. Die Größenordnung der Provisionen wurde erst vor einem Jahr durch einen SZ-Bericht bekannt.

Die Stadt München ließ eine Anfrage der SZ zu der Corona-Hilfe für Andrea Tandlers PR-Agentur Pfennigturm unbeantwortet. Das Wirtschaftsreferat der Stadt teilte mit, man dürfe "zu der Angelegenheit keine Auskunft erteilen". Einen Grund dafür nannte die Stadt nicht. Sie darf möglicherweise aus Datenschutzgründen keine Angaben zu einzelnen Empfängern von Corona-Hilfsmitteln machen.

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